4. Der Parlamentarier Ludwig Windthorst (1867 - 1891)

4.7 Die Soziale Frage

Wenn auch bewußt als Gegenstück zur repressiven Politik gegenüber der Arbeiterschaft konzipiert, so stellte die bismarcksche Sozialgesetzgebung doch ein bedeutendes und wegweisendes politisches Novum dar. Durch sie sollte die Arbeiterschaft in den monarchischen Staat integriert werden, indem die elementaren Existenzbedrohungen wie Krankheit, Unfall, Invalidität und Alter durch staatliche Versicherungen aufgefangen wurden.

Windthorst sah Ende der 70er Jahre die Gelegenheit gekommen, den Reichstag für die Behandlung sozialpolitischer Fragen einzunehmen. Die Arbeiterschutzanträge des Zentrums stießen allerdings auf den erbitterten Widerstand Bismarcks.

Die von der Öffentlichkeit geforderte Humanisierung der Arbeiterwelt widersetzte sich Bismarck mit dem Argument, daß Arbeiterschutzgesetze die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie gefährden würden. Unbeabsichtigt vom Kanzler zog das Unfallversicherungsgesetz dennoch deutliche Verbesserungen im Bereich des Arbeiterschutzes nach sich.

Bismarcks Mischung von Repressionspolitik und staatlicher Fürsorge von oben verfehlte ihr Ziel.

Als 1890 der Fall des Sozialistengesetzes vorauszusehen war, drängte Windthorst auf die Gründung einer sozialen Volksbewegung, die sich ”für die Erfüllung aller gerechten Forderungen der Arbeiter” einsetze. Windthorst verfolgte diesen Gedanken konsequent und am 24.1.1890 wurde in Köln der Volksverein für das katholische Deutschland konstituiert. Der Volksverein, der als außerparlamentarische Organisation sozialpolitische Initiativen des Zentrums förderte und propagierte, galt als das größte soziale Vermächtnis Windthorsts.