4. Der Parlamentarier Ludwig Windthorst (1867 - 1891)
4.6 Der Kulturkampf
Die Zentrumsfraktion unter der Führung Windthorsts ließ sich als konfessionelle Massenpartei nicht in das politische Konzept des Reichskanzlers einordnen.
Nach Ansicht Bismarcks beschwor der konfessionelle Charakter der Partei die Gefahr einer Verquickung von Politik und Christentum. Bismarck bemühte sich, die Kurie zu einer Stellungnahme gegen das Zentrum zu gewinnen und so die katholische Wählerschaft von der Partei zu trennen. Dieses Vorhaben blieb erfolglos, und Bismarck leitete daraufhin einen verschärften Kampf gegen die katholische Kirche ein.
Die in dieser als ”Kulturkampf” bezeichneten Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche angewandten staatlichen Maßnahmen stellten für die Katholiken einen Verstoß gegen Grund- und Menschenrechte dar. Als Ausnahmegesetze verletzten sie den Rechtsgrundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz und bedeuteten einen Rückfall in das absolutistische Staatskirchentum. Die ersten staatlichen Kulturkampfmaßnahmen bestanden im Kanzelparagraphen (10.12.1871) und im Jesuitengesetz (4.7.1872).
Bismarck wollte damit den politischen Einfluß der Geistlichen, den er vor allem in den polnischen, vorwiegend katholischen Gebieten Preußens als Bedrohung ansah, unterbinden. Wie in vielen anderen europäischen Staaten auch wurde diese Politik von den Liberalen nachdrücklich unterstützt. Diesen Gesetzen folgte das preußische Schulaufsichtsgesetz am 11. März 1872 und die Maigesetze des Jahres 1873,_mit denen sich der preußische Staat die wesentlichen Rechte der Kirche aneignete. Das erste der vier preußischen Maigesetze betraf die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen. Alle kirchlichen Bildungsanstalten unterstanden fortan staatlicher Aufsicht. Bei den weiteren Gesetzen ging es um die kirchliche Disziplinargewalt, die nicht mehr vom Papst, sondern nur noch von deutschen kirchlichen Behörden ausgeübt werden durfte. Eine besonders aggressive Kampfmaßnahme aber war das Ordensgesetz vom 31.5.1875, das die Orden und Kongregationen vom preußischen Staatsgebiet ausschloß. Nach 1875 wurden keine wesentlichen neuen Kulturkampfgesetze erlassen.